Ein alter Schiffer erzählt :
Jedem Emder und jedem Schiffer der Unterems ist das Segelfrachtschiff „Meemke“, eine Tjalk, gebaut 1890 auf der Cassenschen Holzwerft in Emden, ein vertrautes Fahrzeug. Die eigenwilligen alten, massiven Formen des Schiffes prägen sich jedem ein. Außerordentlich wuchtig sind alle Formen der „Meemke“ gehalten.
So vierkant, schlicht und einfach wie die „Meemke" ist auch ihr nicht minder alter Schipper, Evert Behrend Teerling, auf Borkum der " Swarte Evert" genannt; mit seinen 66 Jahren heute der älteste tätige Schiffer auf der Unterems.
Im engen Vorschiff, sitzen wir gemütlich zusammen mit dem Alten und seinem jüngsten Sohn Jakob, und dann erzählt der Alte aus seinem Leben:
52 Jahre fährt er, im Winter einmal die Woche, im Sommer machte er in 14 Tagen drei Reisen.
Die wetterharten Gesichtszüge des Alten verraten, daß er auf den Fahrten von und nach Borkum mit dem Segelschiff viel erlebt hat. Freude leuchtet aus den Augen, als er berichten kann, daß er zeitlebens nie Havarie gemacht, nie Menschenleben verloren oder größere Unglücksfälle gehabt hat. Er war in dem orkanartigen Sturm im vergangenen Herbst, als die Harener Pünte und unter Termünten eine Tjalk sank, auch auf dem Wege nach Borkum mit seiner alten „Meemke“.
Als das Schiff noch keinen Hilfsmotor hatte, spielten oft die Winterstürme ihm unterwegs arg mit. Es brachen ihm Wanten und Stagen, öfter gingen ihm die Segel über Bord und es kam vor, daß der graue Nebel in Verbindung mit Sturm ihn mehr als eine Woche auf dem Wege nach Borkum aufhielten, ja, eine Fahrt von Papenburg bis Borkum hat bei Sturm und Unwetter, bei Gegenwinden und Nebel einmal sogar vier Wochen gedauert!
Einmal, so erzählt der Alte, standen wir dicht vor Weihnachten schon gar unter Borkum, da mußten im schweren Sturm die Segel an Deck, ankern konnten wir nicht und schließlich lagen wir wieder in der Bucht von Watum, dicht bei Delfzyl. Selbst das Weihnachtsfest hat der Alte oft nicht zu Hause verleben können. Ein ander mal verhinderte ein schwerer Sturm wieder das Einlaufen in den Borkumer Hafen. Die Nacht war rabenschwarz und schweres Schneetreiben ging über das Schiff hinweg. Auf den Masten loderten „Unwehrfeuer“ (Elmsfeuer), als wenn man Laternen am Mast brennen hätte und erleuchteten das Schiff. Mit dichtgerefften Segeln kam man in finsterer Nacht doch noch gütlich in den Hafen.
So verwurzelt wie mit der See, wie mit Borkum ist Teerling in seinem Familiengeschlecht:
„Meemke“, das ist der Name seiner Mutter, zu deren 9 Kindern er gehörte. Er selbst ist Vater von 11 Kindern. Sein ältester Sohn Derk blieb auf dem Felde der Ehre. Seinen Sohn Eldert mußte er mit der unglückseligen „Annemarie“ in stürmischer Herbstnacht auf der Kacholplate bei Memmert lassen. Der jüngste Sohn Jakob ist bei ihm an Bord. .
Im Kriege 14/18 erwarb sich der Alte auf Borkum das Verdienstkreuz, er fischte für die Notgemeinschaft mit seiner „Meemke“, er rettete nacheinander einen Mann und zweimal ein Kind im Emder Hafen vorm sicheren Tod des Ertrinkens.
Der Alte hängt viel zu sehr an seinem Schiff, als daß er mit seinen 66 Jahren sich zur Ruhe setzen möchte. Als sein Vorgänger, der alte Gerhards, sein Schiff im hohen Alter verkaufte hatte er dem scheidenden Schiff vom Borkumer Strand aus lange nachgeschaut. Teerling erinnert sich noch genau, wie er dann zu ihm kam,und sagte nur: „Nun ist er weg“, und dabei rollten zwei dicke Tränen über die Backen des alten Schiffers. - Teerling hat noch einen Sohn, der wieder Boerdschiffer wird.